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Freiburg Leopoldina Symposium Nachbericht

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9. Juni 2015

Freiburg-Merzhausen. Zum Thema Keimbahnmutationen bei krebskranken Kindern fand am Wochenende (am Freitag, den 26.09.2014) ein Symposium statt, das von der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie Freiburg in Kooperation mit der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle ausgerichtet wurde. Mediziner und Patientenvertreter kamen dazu im Jesuitenschloss in Merzhausen zusammen, um über Wissenslücken, Handlungsunsicherheiten und die Genforschung mit ihren neuen technischen Möglichkeiten zu diskutieren. Unter den Patientenvertretern waren auch die Familie T. und Jeremy W., die aus ihren Erfahrungen berichteten.

Gibt es für Eltern Schlimmeres, als zu sehen, dass ihr Kind schwer krank ist und stirbt? Ja, es geht noch schlimmer: wenn noch ein Geschwisterkind oder gar mehrere ebenfalls an Krebs erkranken und möglicherweise sterben. So erging es der Familie T. und der von Jeremy W.

Lisa T. hatte Leukämie. Kurz vor ihrem 17. Geburtstag starb sie während einer Knochenmarkstransplantation. Das war 2009. In dieser Zeit wurde auch ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Thilo krank. „Thilo wurde als möglicher Knochenmarkspender für Lisa getestet. Damals hat keiner etwas gemerkt“, berichten die Eltern, denen die psychischen Belastungen ins Gesicht geschrieben stehen. Der Junge habe sich völlig fit gefühlt und keinerlei Anzeichen für eine schwere Erkrankung gezeigt. Erst als er nachts Blut im Stuhl entdeckte, wurde er gründlicher untersucht. Diagnose: MDS – Melodysplastisches Syndrom – eine Vorstufe zur Leukämie. Daraufhin unterzog sich die gesamte Familie einem Gentest. Das Ergebnis: Von Seiten der Mutter gibt es einen Gendefekt, eine sogenannte Keimbahnmutation. Thilo ist heute 20, wurde mittlerweile in Freiburg therapiert und gilt derzeit als gesund. Gerade hat er sein Abitur gemacht und möchte studieren.

Jeremy W. hat es noch härter getroffen, was viel Aufsehen in der Öffentlichkeit nach sich gezogen hat. Um die Familie vor weiteren Journalisten zu schützen, hat er den Familiennamen geändert. Seine Geschichte ist wirklich nur sehr schwer zu verkraften.

2006 wurde bei seiner damals knapp eineinhalbjährigen Tochter Emily ein Gehirntumor festgestellt. Das Mädchen bekam sofort Chemotherapien und wurde operiert. Doch nichts hat geholfen. Die Familie beschloss deshalb, die kleine Tochter nicht weiter zu quälen und genoss die letzte Zeit mit ihr - bis sie 2007 starb. „Da haben wir beschlossen, noch ein Kind zu bekommen“, sagt der Vater. Zwei ältere Kinder, Georgina und Julian, hatten die Eltern schon, dann kam Ben zur Welt. Das Ehepaar hatte sich vorher erkundigt, ob ein Gendefekt vorliegen könnte. Doch zu der Zeit hatte keiner einen Verdacht.

Zunächst ging auch alles gut. Mit drei bekam Ben Husten und wurde untersucht. Ein Pleuro Pulmonales Blastom, „ein riesiger Tumor im Brustkorb, der das Herz und die inneren Organe verdrängt hat“, war die Ursache. Daraufhin hat sich die Familie auf einen Gendefekt testen lassen, der auch tatsächlich vorliegt.

Der Lungenkrebs wurde erfolgreich behandelt, alles sah gut aus. Doch dann traten zwei Hirntumore auf – ein großer und ein kleiner. Die wurden zwar bestrahlt und auch in einer Operation entfernt, doch kurz darauf wurden neue Tumore entdeckt. Mitte Juli dieses Jahres starb Ben im Alter von vier Jahren. Der Vater kämpft mit den Tränen, als er davon erzählt.

Doch damit nicht genug. Der heute zwölfjährige Julian, der zweitälteste der vier Geschwister, steht derzeit in einem engmaschigen Kontrollsystem.  Er hat den Gendefekt ebenfalls geerbt und hatte eine große Zyste in der Lunge, die 2013 operativ entfernt wurde. „Im Moment geht es Julian gut“, berichtet der Vater. „Aber durch die psychische Belastungen hat er mittlerweile generell große Angst vor allem.“ Beim Fußballspielen könnte er sich verletzen, ein Tier könnte ihn beißen, der Vater könnte bei längeren Autofahrten einen Unfall erleiden … „Das Könnte war früher viel kleiner“, sagt W. wehmütig. Die einzige, die nicht vom Gendefekt betroffen ist, ist die heute 18-jährige Georgina.

Die beiden Familien haben beim Symposium Forderungen formuliert, die betroffenen Familien in Zukunft helfen sollen. Forderungen nach mehr Geld für die Erforschung der Keimbahnmutationen, des Gendefekts, der Familien in solches Unglück stürzen kann. Und Forderungen nach absoluter Aufklärung. „Es hat ewig gedauert, bis wir einen Termin für die Untersuchung bekamen und dann wollten die Ärzte uns schonen“, erinnert sich Jeremy W. Dabei wollte die Familie nur so schnell wie möglich und umfassend informiert sein, um reagieren zu können. „Natürlich gibt es das Recht der Patienten auf Nichtwissen“, stellt der Vater klar. Aber auch darüber sollten die Eltern aufgeklärt werden, damit sie selbst entscheiden können, wie viel sie tatsächlich erfahren wollen oder auch nicht, fordert er. Eltern von krebskranken Kindern sollte generell der Gentest für die ganze Familie angeboten werden. Thilos Eltern, ergänzen die Forderungen. Für Eltern, die gerade erfahren haben, dass ihr Kind Krebs hat, sollte es keine mehrseitigen Informationsschriften geben, sondern alles kurz und knapp auf den Punkt gebracht werden. „In einer solchen Situation hat keiner den Kopf dafür, das alles durchzulesen.“