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Gesund durch Forschung von Genen und Aufklebern auf Genen

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25. Mai 2009

Wie jeder biologische Vorgang steht auch das Wachstum von Körperzellen unter der Kontrolle von Genen. Da es sich bei Leukämie und Krebs um das ungeregelte Wachstum von Zellen handelt, liegt es nahe, Erkenntnisse über die Ursachen dieser Krankheiten auch in den Genen zu suchen. Nicht jede Körperzelle nutzt jedes Gen, das ihr zur Verfügung steht: Beispielsweise soll sich eine Gehirnzelle ja eher ums Denken kümmern und eine Leberzelle um den Stoffwechsel. Gene, die für nicht gebrauchte Funktionen zuständig sind, können von einer Zelle also gezielt abgeschaltet werden.


Während am Anfang des Lebens jede Zelle die Möglichkeit für Wachstum und Vermehrung in sich trägt und auch nutzt (sonst würden Babys niemals größer werden), müssen die meisten Körperzellen zu einem bestimmten Zeitpunkt ihr Wachstum unter Kontrolle bekommen und abstellen. (Dies gilt allerdings nicht für alle Zellen: ein Beispiel sind Fingernägel, die bekanntlich ständig nachwachsen.) Gene, die das Zellwachstum kontrollieren und in Schach halten, unterdrücken damit auch die Entstehung von Krebs. Man nennt sie daher auch Tumor-Suppressor-Gene. Die Entdeckung der Tumor-Suppressor-Gene und die Beschreibung ihrer genauen Wirkung in der Zelle ist ein spannendes Kapitel der aktuellen Krebsforschung. Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde beim Retinoblastom geleistet, einem bösartigen Krebs des Auges, der überwiegend Säuglinge und Kleinkinder betrifft. Beim Retinoblastom ist das (nach dieser Krankheit benannte) Rb-Gen beschädigt, wodurch es seine Funktion als Tumor-Suppressor, nämlich überschießendes Wachstum zu kontrollieren, nicht mehr wahrnehmen kann. Bei manchen Krebserkrankungen lässt sich aber an den bisher bekannten Tumor-Suppressor-Genen keine Beschädigung nachweisen, obwohl man zeigen kann, dass diese Gene in gesunden Zellen aktiv sind und ihrer Aufgabe nachkommen, während sie in den Tumorzellen sozusagen ruhig gestellt sind.


Bei der Suche nach dem Mechanismus für die Ruhigstellung ist man darauf gestoßen, dass eine Zelle solche Gene, die sie fürs erste nicht mehr braucht, durch einen Aufkleber markieren kann, der etwa so viel besagt wie »Bitte nicht verwenden«. Bei dem Aufkleber handelt es sich chemisch betrachtet um eine Methylierung im vorderen Bereich des Gens, dem sogenannten Promotor. Da das Gen selbst dabei im Aufbau nicht verändert wird, nennt man diese Markierungsvorgänge nicht »genetisch«, sondern »epigenetisch«. Die Zusammenhänge sind in letzter Zeit auf großes Interesse in der Krebsforschung gestoßen, weil es möglich ist, die Methylierung mit bestimmten Wirkstoffen wieder rückgängig zu machen. Die Hoffnung ist also, Medikamente zu entwickeln, mit denen die Aufkleber wieder von den ruhiggestellten Tumor-Suppressor-Genen entfernt werden können. Solche neuartigen Therapien sind insbesondere für diejenigen Patienten von großer Bedeutung, deren Leukämie oder Krebs mit den bisher verfügbaren Mitteln der Chemotherapie, Bestrahlung oder Operation nicht geheilt werden können.


Für die Leukämien im Kindesalter sind die Erkenntnisse, bei welchen Tumor-Suppressor-Genen die Stilllegung durch Aufkleber eine Rolle spielt, noch sehr spärlich. Wir intensivieren derzeit die Forschungsarbeiten in der Freiburger Kinderklinik auf diesem Gebiet. Vorarbeiten dazu, die wir in Zusammenarbeit mit der Forschungskinderklinik St. Jude in Memphis (USA) durchgeführt haben, werden im Dezember 2005 bei einem internationalen Wissenschaftlertreffen in Atlanta (USA) vorgestellt.

Von Dr. Christian Flotho