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„Gefühlt stand unser Leben still!“ – Ein Einblick ins Leben einer betroffenen Familie

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9. August 2023
Foerderverein-krebskranke-Kinder-Freiburg-Familie Spitz-1 Im Elternhaus fühlte die ganze Familie sich wohl, hier konnten hier Kräfte sammeln, um am nächsten Morgen wieder die bestmögliche Unterstützung für ihre Kinder zu sein – für das kranke wie für das gesunde Kind.
Foerderverein-krebskranke-Kinder-Freiburg-Familie Spitz-2 Herr Spitz mit seinem mittlerweile gesunden Sohn bei der Einweihungsfeierlichkeit des neuen Elternhauses.
Foerderverein-krebskranke-Kinder-Freiburg-Familie Spitz-3 Susanne Spitz ist überglücklich, dass ihr Sohn mittleiweile ein ganz normales Kleinkind-Leben führen kann.
Foerderverein-krebskranke-Kinder-Freiburg-Familie Spitz-4 "Milena wurde in der Geschwisterspielstube mit all ihren Bedürfnissen gesehen und aufgefangen, viel besser als wir es in unserer Lage hätten machen können." schwärmt Susanne Spitz
   

Mein Name ist Susanne Spitz, ich komme aus dem Landkreis Karlsruhe und genau heute vor einem Jahr war unsere Familie eine der Familien, die im Elternhaus in Freiburg gelebt haben.

Als unser Sohn als unser zweites Kind im November 2021 zur Welt kam, schien alles bestens – bestens, bis zur Diagnose einer schweren lebensbedrohlichen Erkrankung namens SCID, ein schwerer kombinierter Immundefekt, gekennzeichnet dadurch, dass – vereinfacht gesagt – der Körper keine T-Zellen produziert und somit keinerlei Krankheiten abwehren kann. Oder anders gesagt: sein Immunsystem funktionierte nicht.

Wir hatten vorher noch nie von dieser seltenen Krankheit gehört, wie wahrscheinlich die meisten von Ihnen allen hier auch nicht. So fanden wir uns plötzlich anstatt gemütlich zu Hause mit unserem damals erst 9 Tage alten Sohn in der Uniklinik Freiburg wieder, konfrontiert mit einer Diagnose und in einer Situation, die uns zunächst völlig überfordert hat. Wir versuchten, möglichst viele Informationen aufzunehmen, medizinische Zusammenhänge zu verstehen, uns Fachbegriffe zu merken. Vor allem ging es um die einzige Möglichkeit der Behandlung: eine Stammzelltransplantation. Ohne diese sterben SCID-Kinder in den ersten zwei Lebensjahren an Infektionen, an denen heutzutage eigentlich niemand sterben muss.

Niemals hätten wir gedacht, dass wir einmal in einer Situation sein würden, in der nur noch eine Transplantation helfen könnte. Viele Gedanken gingen uns durch den Kopf, während wir versuchten, all das zu erfassen. Ein Gedanke kam uns NICHT in den Sinn, nämlich: wo werden wir in der Zeit bleiben? Diese Frage wurde uns abgenommen, noch bevor wir überhaupt soweit denken konnten. Man sagte uns, dass wir während der Zeit der Stammzelltransplantation selbstverständlich im Elternhaus des Fördervereins für krebskranke Kinder e.V. Freiburg wohnen würden.

Wir hatten noch nie etwas vom Elternhaus gehört – woher auch? Die kommenden drei, vier Monate vergingen, wir isolierten unsere kleine Familie von der Außenwelt, um unserem Sohn den größtmöglichen Schutz vor Erkrankungen aller Art zu bieten. Wir fokussierten uns darauf, unseren Sohn möglichst gesund bis zur Transplantation zu erhalten. Ein großer Kraftakt, denn Erreger für Krankheiten sind quasi überall zu finden – und da war ja auch noch Corona. Keiner aus unserem Umfeld war jemals in einer ähnlichen Situation gewesen. Natürlich war uns das Mitgefühl aller Freunde und Bekannten gewiss, aber so wirklich nachempfinden konnte niemand, was bei uns los war. Gefühlt stand unser Leben still, während sich die Welt aller anderen um uns herum weiterdrehte.

Es wurde März 2022, unser Sohn wurde in ein Isolationszimmer in der Kinderklinik Freiburg auf der Station von Pfaundler eingeschleust und wir – wir zogen ins Elternhaus ein. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal das Elternhaus betreten habe. Es war abends gegen 22 Uhr, ich musste mein 4 Monate altes Baby allein auf der Station lassen, es war dunkel, es war kalt und ich war unruhig angesichts des ganzen Unbekannten, was da kommen würde. Ich kam ins Elternhaus, es war warm erleuchtet, schön dekoriert und es wirkte trotz seiner Größe heimelig. In den nächsten Wochen und Monaten wurde uns das Elternhaus viel mehr als nur eine Bleibe. Wir kamen zur Ruhe, fanden uns in unserem neuen Alltag zurecht. Ich übernahm die Betreuung unseres Sohnes bis zum Nachmittag, danach übernahm mein Mann. Endlich gab es Menschen – Mitarbeiter und andere Elternhaus-Familien – die nachvollziehen konnten, wie es uns geht. Wir mussten uns nicht erklären. Es war einfach so, wie es war und so wurden wir angenommen. Wir fanden sogar Eltern, die ein Kind mit der gleichen seltenen Erkrankung hatten. Und wenn man sich vorstellt, dass es jedes Jahr in Deutschland nur 20-30 Neudiagnosen von SCID gibt, so kann man sagen, ein Glückstreffer für uns. Wir waren nicht allein und wir haben immer noch Kontakt zueinander. Mein Mann konnte mit großer Unterstützung seines Arbeitgebers vom Elternhaus aus im Homeoffice arbeiten. So gerieten wir nicht in finanzielle Probleme.

Unsere damals 4jährige Tochter ging mit großer Begeisterung in die Geschwisterspielstube. Endlich konnte sie wieder unter Kindern sein! Die vorangegangenen vier Monate musste sie zum Schutz ihres Bruders auf den Kindergarten und alle Kontakte mit anderen Kindern verzichten. Keine Kindergeburtstage, keine Nikolausfeier, kein Weihnachten mit Oma und Opa, einfach gar nichts. In der Geschwisterspielstube spielte, bastelte und verkleidete sie sich, was das Zeug hielt, fand schnell Freunde, konnte sogar ihren Geburtstag feiern und war einfach zufrieden. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ich hätte viel zu wenig Zeit für sie. Nach ein paar Tagen wollte ich sie früher von der Spielstube abholen, um mein schlechtes Gewissen zu erleichtern. Unsere Tochter war darüber regelrecht empört und schickte mich weg mit den Worten, sie sei noch gar nicht fertig mit Spielen. Das war übrigens zugleich das letzte Mal, dass ich sie früher abholen wollte. Mein Gewissen war beruhigt. Sie wurde in der Geschwisterspielstube mit all ihren Bedürfnissen gesehen und aufgefangen, viel besser als wir es in unserer Lage hätten machen können. Sie können sich nicht vorstellen, was das für eine große Erleichterung für mich war. Ich wusste sie in den besten, liebevollen Händen. Und es macht mich immer noch sehr emotional, wenn ich daran denke.

Das Elternhaus bot auch mir viel: morgens ein Frühstück, das mir sehr wichtig wurde. Denn egal, was der Tag noch an Überraschungen bringen sollte (und es gab oft Überraschungen), so hatte ich wenigstens gut gefrühstückt. Besonders habe ich mich immer gefreut, wenn sich die Hauswirtschaft morgens noch vor 7 Uhr die Mühe machte, Obstsalat für alle zuzubereiten. Überhaupt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Elternhaus. Mein Mann und ich, wir glauben, hier arbeiten nur Menschen, die genau hier arbeiten wollen. Immer ein nettes Wort, immer eine helfende Hand, immer eine Lösung, egal für welches Anliegen. Brauchten wir ein Muffinblech, eine Fahrkarte für die Straßenbahn oder die Info, wo ein gutes Schuhgeschäft oder die nächste Apotheke ist – kein Problem. Vieles passiert im Elternhaus im Verborgenen. Vieles sind vermeintlich kleine Dinge, die aber für uns Familien wertvoll sind. Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, wie wichtig Kaffee, Getränke, Waschmittel oder Toilettenpapier sind? Wahrscheinlich nur, wenn die Vorräte zu Ende gehen. Egal ob morgens um 7 Uhr oder abends um 22 Uhr – es war immer genug da und wir konnten uns darauf verlassen, dass wir wegen solcher Kleinigkeiten nicht noch zusätzliche organisatorische Schwierigkeiten bekommen würden – waren doch unsere Tage von morgens bis abends ohnehin durchgetaktet.

Der Sozialdienst half mir bei unseren meistens kurzen ZwischendurchGesprächen, meine Gedanken zu sortieren und meinen Mann wieder auf positive Gedanken zu bringen. Die Hausabende, die der Sozialdienst anbietet, habe ich fast immer wahrgenommen – obwohl ich beim ersten eigentlich viel zu müde war. Aber mein Mann hatte mein Kommen schon angekündigt und das war gut so, wie ich feststellen sollte. Der Hausabend war meine kleine persönliche Auszeit, mein Freiraum, in dem ich keine Entscheidungen treffen musste, keine Alternativen abwägen musste – höchstens die, ob ich zuerst den Nachtisch esse oder welche Farbe ich für das Kreativprojekt des Abends wähle. Wir waren im Elternhaus angekommen. Hier fühlten wir uns wohl, hier konnten wir Kräfte sammeln, um am nächsten Morgen wieder die bestmögliche Unterstützung für unsere Kinder zu sein – für das kranke wie für das gesunde Kind.

Wenn nachts das Handy klingelte, ging es kurz über den Hof, durch den Nebeneingang rein in die Klinik und innerhalb kürzester Zeit waren wir bei unserem Sohn. Auch das war für uns von unschätzbarem Wert, insbesondere weil der Zugang zur Kinderklinik aufgrund der Corona-Regelungen zu Recht stark kontrolliert wurde. Was wäre eigentlich gewesen, hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt, im Elternhaus zu wohnen? Wir hätten uns aufteilen müssen: mein Mann wäre mit unserer Tochter zu Hause geblieben, während ich mit unserem Sohn in die Klinik gegangen wäre. Jeder hätte den maximalen Stress gehabt und keine Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Unsere Tochter wäre wahrscheinlich viel von Verwandten, Nachbarn und Freunden betreut worden. Auch nicht gerade das, was man sich als Eltern in dieser Situation für sein Kind wünscht.

Zur Vorbereitung auf die Stammzelltransplantation war ich mehrfach mit unserem Sohn stationär in der Kinderklinik. Auf der Station von Pfaundler ist es nicht so schlimm, wie man vielleicht meinen könnte, wenn man das Wort Kinderonkologie hört. Im Gegenteil, es arbeiten dort tolle Menschen und die Grundstimmung war bei uns gut. Aber man darf nicht vergessen, dass dort schwere Erkrankungen mit intensiven Therapien behandelt werden. Es piepst und klingelt immer irgendwo eine Infusion, es weinen Kinder oder man hört das Nachbarzimmer durch die dünnen Wände. Es ist heiß, es ist beengt, manchmal müssen Infusionen alle 15 Minuten kontrolliert werden – auch nachts. Egal wie leise die Pflege auch ist, man wacht doch irgendwie immer auf und die Elternliegen in der Klinik sind alles andere als bequem. Mein Frühstück hätte vermutlich aus viel Kaffee und einem Müsliriegel bestanden. Kontakte zu anderen Eltern, in Ruhe duschen, Wäsche waschen, mit der Freundin telefonieren, 15 Minuten auf dem Massagesessel, erholsam schlafen? Alles Fehlanzeige. Die permanente Anwesenheit auf der Station kann man mal eine Woche durchziehen oder auch zwei, aber nicht über Wochen und Monate, wenn man seinem Kind Kraft und Zuversicht ausstrahlen soll. Schnell hatten wir verstanden, warum es schon bei Diagnosestellung hieß: Sie können selbstverständlich im Elternhaus wohnen.

Die Transplantation bei unserem Sohn verlief an sich gut, doch dann gab es eine Infektion zum ungünstigsten Zeitpunkt, die ihn mit zahlreichen Komplikationen noch lange an die Station von Pfaundler band. Das Frühjahr verging, es wurde Sommer, es wurde Herbst, wir waren immer noch da. Der Herbst verabschiedete sich langsam, wir blieben weiter im Elternhaus.

Schließlich konnten wir nach über 8 Monaten den Heimweg antreten – alle vier, alle zusammen. Heute geht es unserem Sohn gut, er kann inzwischen ein ganz normales Kleinkind-Leben führen. Dass das gelungen ist, hat er dem Können und der Fürsorge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Station von Pfaundler zu verdanken. Dass wir als Familie relativ gut durch diese kräftezehrende Zeit gekommen sind – vor allem GEMEINSAM gekommen sind – haben WIR dem Elternhaus zu verdanken und dafür können wir nicht dankbar genug sein. Wir wünschen niemandem, dass er die Erfahrung machen muss, ein lebensbedrohlich erkranktes Kind zu begleiten. Aber jeder Familie, die in diese Situation kommt, wünschen wir, dass sie die Möglichkeit hat, hier in Freiburg im Elternhaus zu wohnen.