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'Wir wollen alle heilen' Die Freiburger Leukämie-Spezialistin Charlotte Niemeyer über Forschung und Therapien für krebskranke Kinder

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17. August 2009

Wie viele Ihrer Patienten können Sie gegenwärtig heilen?
Die Chancen haben sich deutlich verbessert, wir haben bei acht von zehn Kindern dauerhaften Erfolg.
Warum sprechen Kinder besser auf Therapien an als Erwachsene?
Das Wesentliche ist, dass Kinder andere Krebsarten haben. Kinder vertragen auch mehr Chemotherapie, so dass die Intensität höher sein kann. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass wir inzwischen fast alle Kinder im Rahmen von Studien behandeln. Dadurch können wir Therapien optimieren.
Ist es ein realistischer Wunsch, alle Kinder heilen zu können?
Wir wollen das. Es wird aber schwer zu erreichen sein.
Warum hat sich die Erfolgsrate nicht weiter verbessert?
Mitte der siebziger Jahre gab es einen großen Sprung, als man begann, Medikamente und Therapieformen zu kombinieren. Seit Anfang der achtziger Jahre sind wir an eine Grenze gestoßen. Die können wir nur überschreiten, wenn wir die Biologie der individuellen Erkrankurigen besser verstehen. Nur das kann zu qualitativ neuen Therapien führen, die wieder einen Fortschritt ermöglichen.
Wo liegen die Probleme?
Die Therapiekonzepte werden immer komplizierter. Die Patienten zahlen, die wir für Therapieoptimierungsstudien brauchen, werden größer, weil wir immer mehr Untergruppen mit unterschiedlicher Prognose haben. Deshalb wird in Zukunft nichts mehr ohne internationale, auch weltweite Studien gehen.
Was bedeutet "weltweit"?
Gemeint sind in der Tat nur Länder, die auf einem ähnlichen medizinischen Niveau sind wie wir. Wenn wir "weltweit" sagen, heißt das immer noch, dass die Mehrzahl aller Kinder außen vor ist.
Wenn die Defekte schon früh auftauchen: Wäre es nicht hilfreich, Gentests zu entwickeln, um sie früh zu erkennen und vorsorgen zu können?
Das ist ein interessantes Feld. Bei akuter Iymphatischer Leukämie gibt es tatsächlich bestimmte Fehlanlagen, die sicher zu Leukämie führen, andere wieder nur bei einem Teil der Kinder. Warum Gentests nicht zur Vorsorge verwendet werden, hat einen einfachen Grund: Wir wissen nicht, wie wir diese Leukämie verhindern könnten. Solche Informationen würden nur Verunsicherung erzeugen.
Bleibt das so, oder wird man irgendwann Risikopatienten schon vor der Erkrankung behandeln?
Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir individuelle Erkrankungsrisiken verlässlich voraussagen können und Möglichkeiten haben, das Ausbrechen der Erkrankung zu verhindern. Ich bin aber überzeugt davon, dass ich das noch erlebe.
In Deutschland gibt es seit 1999 ein Kompetenznetz für Kinder-Krebsforschung. Welche Erfahrungen haben Sie damit gesammelt?
Wir versuchen hier, die verschiedenen Therapiezentren und Forscher zu vernetzen, aber auch Hausärzte mit einzubeziehen. Wesentlich ist die Ausbildung von Studienassistenten in den behandelnden Kliniken, die in der Qualitätssicherung und Dokumentation eine enorm wichtige Rolle spielen.
Spiegelt sich die Arbeit schon in Therapieerfolgen wider?
Bisher nicht. Der Erfolg zeigt sich in der Qualität der Dokumentation der Studien. Und das wird sich letztlich übersetzen in eine bessere Behandlungsqualität.
Wie geht es weiter, wenn die Förderung nächstes Jahr ausläuft?
Wir stehen vor dem Problem, wie wir es schaffen, die Qualität, die wir erreicht haben, zu halten und weiter zu verbessern. Das wird schwierig. Unsere Hauptsorge ist die, dass es kein Geld mehr für Studienassistenten vor Ort gibt.
Zeigen Studien zur Optimierung der Therapie auch Möglichkeiten auf, die Patienten zu entlasten?
Pädiatrische Onkologen wollen Kinder heilen. Mit einem solchen Ansatz muten wir vielen Patienten eine intensive Therapie zu. In den meisten Studien wurden Fragen nach einer Therapiereduktion negativ beantwortet. Das heißt, einige Kinder, bei denen eine reduzierte Therapie durchgeführt wurde, starben. Das hat uns geprägt. Erst durch diffizile Diagnostik während der Therapie werden wir in der Lage sein, solche Fragen systematisch zu bearbeiten.
Was wissen Sie über Folgeerkrankungen nach der Therapie?
Die überwiegende Mehrzahl ehemaliger Leukämie-Patienten zeigt bisher keine erkennbaren Spätfolgen. Anders ist das bei vielen Hirntumor-Patienten. Bei ihnen führt die Therapie häufig zu Defiziten, beispielsweise was die Auffassungsgabe angeht. Derzeit ist etwa in den USA einer von 570 jungen Erwachsenen ein Krebs-Überlebender. Dieser Anteil wird steigen. Die Rate derer, die eine zweite Krebserkrankung bekommt, liegt bei zwei bis drei Prozent.
Sind diese Zweiterkrankungen immer Folge der Behandlung?
Es kommen immer zwei Dinge zusammen: Patient und Therapie. Es gibt Patienten, die bekommen ohne Bestrahlung und Chemotherapie, also nur nach Operation, einen anderen Tumor. Da spielen Veranlagungen eine Rolle.
Die Frage, die sich viele Eltern stellen: Warum mein Kind?
Die stellen Eltern in jedem Erstgespräch. Wir können inzwischen sagen, dass Umweltfaktoren im Kindesalter vermutlich keine wesentliche Rolle spielen. Es gibt Studienergebnisse, die vermuten lassen, dass Rauchen bis zu drei Wochen vor der Empfängnis einen Einfluss auf die Leukämieentstehung haben könnte. Das ist bisher aber nur Statistik. Wir haben keine klaren Hinweise darauf, dass Eltern durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass ihr Kind an Krebs erkrankte.
Immer wieder hört man, dass Eltern Chemotherapien abbrechen lassen und in Alternativtherapien flüchten. Wie oft kommt das vor?
Das sind Ausnahmefalle, wenn Eltern glauben, dass die Schulmedizin ihrem Kind gar nichts zu bieten hat. Situationen, in denen Eltern die Therapie verweigern, obwohl das Kind zum Beispiel bei einer akuten lymphatischen Leukämie eine exzellente Prognose hat, sind extrem selten. Meistens findet man Wege. Einmal sagte mir ein Vater nach der Leukämiediagnose seines Kindes, er glaube das nicht, er gehe jetzt nach Indien. Dann haben wir einen Deal gemacht, er sollte in zwei Wochen wiederkommen, und nach zwei Wochen hatte er seine Erfahrung gemacht und war mit seiner Tochter wieder da. Häufiger sehen wir es, dass Jugendliche Therapien abbrechen, weil wir ihnen zuviel zumuten.
Wo ist da die Altersgrenze?
Bei der Primärtherapie sind es 15-, 16jährige, die gelegentlich sagen, jetzt ist Schluss, da könnt ihr machen, was ihr wollt. Bei kleinen Kindern gibt es das auch, vor allem in Rückfallsituationen. Wenn das Kind sich verweigert, bedeutet das für uns meistens, dass wir aufhören sollten, es intensiv zu behandeln. Da hören wir schon hin.
Was machen Sie dann?
Bei einer neu diagnostizierten Leukämie, bei der ein Vierjähriger keine Tabletten schlucken will, ist es keine Frage: Das Kind muss eben lernen, Tabletten zu schlucken. Da sind wir hart. Wenn ich aber ein Vierjähriges mit einem zweiten Rückfall habe, und dieses Kind signalisiert mir, ich möchte nicht mehr, dann muss ich den Willen dieses Kindes respektieren. Ich bin überzeugt, dass Kinder, bevor wir Mediziner wissen, dass sie sterben müssen, das selber wissen. Auch schon Drei- und Vierjährige.
Woran erkennt man das?
Zum Beispiel daran, dass sich zuvor sehr kooperative Kinder plötzlich jeglicher Maßnahmen verweigern. Kinder, die vielleicht überhaupt nicht religiös erzogen sind, fangen zum Beispiel an, Bilder mit Engelchen zu malen. Das sind Zeichen, dass das Kind etwas weiß, was wir noch nicht wissen oder nicht wissen wollen. Dann müssen wir den Willen eines dreijährigen Kindes auch akzeptieren, auch die Eltern. Viele Kinder können ja erst dann sterben, wenn ihnen auch von den Eltern signalisiert wird, dass das okay ist, dass es in Ordnung ist aufzugeben, auch wenn man lange gekämpft hat. Diese Unterstützung brauchen die Kinder. Wenn wir aber wissen, dass ein Kind eine Wahrscheinlichkeit von 70, 80 Prozent hat, geheilt zu werden, dann würden wir alles einsetzen, diesen Patienten behandeln zu dürfen
Wie macht man das bei einem Sechzehnjährigen?
Da kommt man an Grenzen. Wenn der Jugendliche sagt, nee, will ich nicht, auch wenn du mir das dreimal erzählst, ich nehm' das Risiko in Kauf, dann müssen wir auch das akzeptieren und ihn in der Ambulanz weiter begleiten selbst wenn wir uns eine andere Entscheidung gewünscht hätten.